Großglockner

 

Das jährliche Pflichtprogramm.
Klappe, die Erste.

Dafür kurz zur Vorgeschichte. Als ich meine CB neu hatte, musste ich noch einiges lernen. Was macht ein Mensch von heutzutage? Richtig, Suchmaschinen mit Begriffen zumüllen und alles lesen, was dabei rauskommt. Die Antworten auf meine Fragen fand ich irgendwann immer im selben Forum, bis ich mich dort anmeldete um mit den Leuten da auch quatschen zu können. Innerhalb kürzester Zeit war klar, das ist wie eine kleine Familie, ich war sehr schnell adoptiert. Die Leute in dem Forum, der "harte Kern", kennen sich persönlich, trotz, dass sie aus Überall herkommen. Wien, Steiermark, Oberösterreich, Bayern, Baden-Württemberg usw. usf. Weil: sie treffen sich zweimal im Jahr auf eine 3-Tagestour zum/am Großglockner zwischen Salzburg und Kärnten.
Ich wurde auch sehr bald dazu eingeladen, die erste Tour im Juni mit zu fahren. Doch da traute ich mich noch nicht so ganz, hatte ich doch bis dahin erst ein paar 100km drauf und auch noch keine ordentliche, tourentaugliche Ausrüstung. Also habe ich vorerst mal nein gesagt, mit dem Zusatz, "bestimmt klappt es dann im September". Und so war es auch. Ich hatte ein paar KM mehr am Tacho, ein Topcase und ganz okaye Schutzkleidung. Daher fasste ich meinen Mut und fuhr mit. Das war es dann, die Motorrad-Berge-Kurvenstraßen-Spaß-Sucht war vorprogrammiert.
Zu meiner Beruhigung gab es jemanden in der Partie, der auch von Wien wegfuhr. Nervös war ich ja schon einigermaßen. An einem Tag 420km um erst einmal nach Fusch zu kommen. So viel auf einmal! Zum ersten Mal für mich. Und dann die Serpentinen am Glockner, die mir bevorstanden, die ich noch nicht kannte. Kurvenfahren ist eh so ein Thema. Das muss man einmal drauf haben. Da gehört schon ein gewisses Feeling und auch Vertrauen zum Fahrzeug dazu. Und das muss man sich erst einmal ins Hirn bringen.
Nun gut, es ging also los. Ich fuhr zum Treffpunkt am Wiener Stadtrand und von dort ging es los auf die erste, aufregende, große Reise. Um aus dem Großstadtdschungel rauszukommen ging es erst über die Autobahn bis Amstetten. Autobahnfahren war ja so gar nicht lustig. Anstrengend. Trotz Windschild recht beanspruchend. Aber es war ja nicht so weit, zum Glück. Ab Amstetten ging es über die Bundesstraßen Richtung Mariazell, die Wildalpen, und das Gesäuse nach Liezen. Da hieß es einmal Mittagspause.

Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich mich gefühlt habe, als wir durch die Wildalpen und das Gesäuse fuhren. Ganz verkrampft war ich, steif saß ich am Moped, Schiss hatte ich vor den „engeren“ Kurven. (Ha, eigentlich waren die gar nicht so eng. Mir kam es damals bloß so vor). Dementsprechend fuhr ich ganz toll und profihaft durch die Berge. Nicht. Mein Kumpane, der vorfuhr, hätte ein Leichtes gehabt, mich abzuhängen. Aber er war extrem geduldig mit mir. Fuhr langsam, machte immer wieder Pause und gab mir Tipps, wie ich vielleicht besser mit den Kurven zurecht kommen würde. Diese versuchte ich mir zu Herzen zu nehmen, manchmal klappte es, manchmal nicht. Das war dann, wenn die Konzentration wieder nachließ und ich müde wurde. Aber ich wollte und musste mich tapfer schlagen, hätte eh keine andere Wahl gehabt.
Mir kam es schon wie eine halbe Ewigkeit vor, bis wir endlich in Liezen waren, dabei war das erst die halbe Strecke. Ich freute mich auf die längere Pause, erst einmal ein gutes Schnitzel und einen großen Apfelsaft g‘spritzt. Außerdem stießen wir da auf weitere Mitfahrer der Gruppe, die aus der Grazer Gegend mitkamen.
Gut war das Schnitzel, nun musste es aber weitergehen, hatten wir doch noch ca. 140km vor uns. Aber nicht genug damit, dass es nach der großen Pause ohnehin schon schlimmer war, wieder aufzusteigen und sich noch einmal so einer großen Etappe hinzugeben. Es musste noch besser kommen: Regen. Regen und zwar viel. Die letzten 70km verbrachten wir nass. Puh, war das anstrengend. Nicht nur das, ich war einfach nur noch fertig. Eh schon so erledigt und dann noch so viel Wasser und schlechte Sicht und um die Strecke etwas zu verkürzen dann doch über die Schnellstraße. Tja, mit so viel Erfahrung, wie ich mitbrachte, war das halt auch wieder eher unlustig. Die anderen drei konnten das ja schon besser, für mich hieß es nur noch „Augen zu und durch“. Natürlich nicht ganz, aber mir kam es schon fast so vor weil das Visier ständig "zu" war!

Plötzlich war es da. Das Schild, das mir einen fetten Grinser wie nie ins Gesicht brachte. Da stand drauf „Fusch, 9km“. 9km. Alter! Nach so einer Fahrt war das quasi um‘s Eck! Ich war so glücklich! Und gleichzeitig ermahnte ich mich innerlich „bau jetzt keinen Scheiß, jetzt bist du gleich da.“ Ja, das waren wir. Mit Sonnenschein. Weiters war da noch ein großer Haufen toller, lustiger, netter Leute die ich doch zuvor alle noch nie gesehen hatte. Aber ich wusste sofort, dass ich hier richtig bin. Das ist bis heute so.
Den ersten Abend ließen wir gemütlich bei einem Bier mit viel Gequatsche ausklingen.

Tag 2
Der eigentliche Teil der Tour. Ab auf die Hochalpenstraße. Das Erste, das mir zur Beruhigung erzählt wurde: „Keine Sorge, das ist nur eine Straße, da kannst du nicht aus, also wir finden uns immer!“ Da war ich ja froh. Ich hatte schon die leichte Befürchtung, den anderen ein Klotz am Bein zu sein, denn die hatten schon so einige Saisonen und KM hinter sich, und ich war hier der Anfänger. Doch bald sollte sich die Befürchtung als völliger Mist herausstellen.

 



Erster Treffpunkt Mautsation. Für die Straße muss man als Motorradfahrer für einen Tag €17,- zahlen, wenn man das Ticket im Vorverkauf holte. Regulär dort an der Kasse sind es €19,-. Mag natürlich viel erscheinen, allerdings darf man sich dafür freuen, dass die Straße nach jeder Wintersperre auf Frostschäden geprüft und bei Bedarf ausgebessert wird. Daher gibt es im Prinzip keine Straßenschäden wie auf so manchen anderen Pass- und Bergstraßen. Und das ist einem die Sicherheit wieder wert. (Des weiteren habe ich schon festgestellt, dass das Baustellenmanagement ziemlich gut ist. Wenn gerade an Kehren gearbeitet wird, ist die Stelle sehr gut abgesichert und Staubildung gibt es quasi auch nicht. Das ist bei relativ kurzer Sicht auf solchen Straßen schon sehr von Vorteil.)
Jetzt ging es aber hoch. Ich hatte so ein Gefühl wie wenn man sich grad mit den Skiern beim Sessellift anstellt, dann oben aussteigt und weiß, jetzt gibt‘s kein zurück mehr. Jetzt muss man da durch. Und übrigens: ich kann eigentlich nicht Skifahren. Kurzum: ich war aufgeregt. Aber positiv. Alles halb so wild, im Endeffekt.
Die erste Etappe zum ersten größeren Parkplatz war geschafft. von hier aus teilten wir uns ein bisschen auf. Immerhin waren wir 14 Leute mit unterschiedlichem Fahrstil- und können. Deshalb gilt hier immer: „Fahrt, wir treffen uns da und dort wieder. Bis später!“ Und für mich war immer jemand da, der mich mal „an der Hand nahm.“ Das war richtig schön! Irgendwer hat mich immer im langsamen Tempo mitgenommen, mir Tipps gegeben und im Endeffekt war ich sogar den ganzen Tag mit am Berg. Den Anmerkungen dazu zufolge wurde damit wohl weniger gerechnet. Manche dachten anscheinend, ich würde mich bald abseilen und den restlichen Tag im Quartier relaxen. Ja, da habe ich wohl Eindruck hinterlassen, ganz ohne ihnen ein Klotz am Bein gewesen zu sein. Das macht schon stolz. Vor allem darauf, wie man selbst merkt, dass es mit der Zeit besser geht. Aber zum Schluss war ich schon ordentlich k.o. Da ging es jedoch ohnehin schon wieder ins Tal, denn wir mussten noch für die Grillerei einkaufen fahren. Nur ein paar Übermütige sind nachher noch mal auf den Berg, die abendliche Ruhe ausnutzen.
Dazu muss ich noch sagen: wir hatten echt Kaiserwetter. Daher waren aber auch extrem viele Fahrzeuge unterwegs, vor allem große Reisebusse oder andere, ungetüme Wohnmobile u.ä. Das machte es mir manchmal schwer da ich die Sache mit dem Überholen noch nicht so im Blut hatte. Alles zu seiner Zeit.

 



Man darf ja nicht vergessen: die CB ist eigentlich nicht die schlechteste beim Gasgeben und durch ihre Bauart auch flink wie ein Wiesel wenn es darum geht, sich in die Kurven zu legen. Aber: sie hat vorne nur eine Scheibe. Daher lässt die Bremsleistung manchmal zu wünschen übrig und man muss schon ein Gefühl dafür entwickeln, was geht. Vorausschauend zu fahren ist eben oberstes Gebot. Und alles lernt man einmal. Eigentlich hat es auch einen Vorteil: die Vernunft lässt einen nicht zu übermütigen Manövern verleiten, denn man hat immer im Hinterkopf: „Das musst du auch bremsen können.“
Aus heutiger Sicht weiß ich, die Bremsen können schon etwas und man darf sich nicht zu sehr erschrecken wenn einmal das Hinterrad blockiert weil man mit dem Fuß zu fest rein gestiegen ist. Das passiert und wenn man rechtzeitig die Bremskraft dosiert passiert auch weiter nichts schlimmes. Wenn man ganz schnell schalten kann, kann man noch die recht gute Motorbremse ausnützen. Trotz allem: rechtzeitig vor der Kurve vom Gas gehen, bis zu einer kurventauglichen Geschwindigkeit abbremsen - und zwar VOR der Kurve - und wenn es doch noch etwas zu viel ist 1. beten, dass da nichts im Weg ist und 2. das Moped rein drücken was geht. Sollte dabei die Fußraste zum Abschliff gezwungen werden ist das weiter nicht schlimm. Sorgt meistens im ersten Moment ebenfalls für etwas Schreck aber im Prinzip kann nichts passieren. (Sofern einem nicht der Hauptständer in den Weg kommt und sich in den Asphalt hängt. Dann gibt's nämlich Kurvenmarkierung in der Fahrzeugfarbe, quasi :-P )
Edit: dies gilt bei guten Straßen-, Witterungs- und Verstandsverhältnissen!

Die große Glocknerfahrt war für fast alle von uns (fast, weil ein paar ja nochmal auf den Berg gefahren sind) vorüber, die Motorräder wurden untergestellt, das erste wohltuende Bier geöffnet und sowieso wurde der Grill angezündet. Damit konnte ein gemütlicher Abend beginnen, es wurde viel gelacht, viel gequatscht, von den einen oder anderen mehr oder weniger lustigen Erlebnissen erzählt... außerdem war ich ja die Neue, da musste man sich gegenseitig noch ganz viel ausfragen... gegen 1 Uhr morgens beschloss ich dann schlafen zu gehen - und träumte von diesem ganzen Wochenende.

Der dritte und letzte Tag war angebrochen. Nur ganz langsam fand sich der Haufen peu a peu beim Frühstück ein. Manche waren da wohl noch eine Weile länger wach gestern. Jedoch hilft guter Kaffee und ein ordentliches Frühstück.
Langsam hieß es eben wieder Abschied nehmen. Nachdem das Zimmer gezahlt war füllte sich auch wieder mein Topcase. Da war eigentlich nicht viel mehr drinnen als beim hinfahren, dafür war in meinem Inneren sehr viel mehr. Jeder Kilometer, alle Erlebnisse, die Kurven, die man in Gedanken noch einmal fährt... man könnte fast meinen, es war zu viel auf einmal. Jedoch war es genau richtig.
Nun denn, ich hatte mich wieder gut in meine Kluft gepackt, der Koffer war endlich zu und am Moped, das Visier war gereinigt und CB selbst stand auch schon parat. Jetzt hieß es Fotoshooting. Natürlich dürfen Gruppenfotos nicht fehlen und so posierten wir noch in lustigen Formationen vor der Kamera. (Hier aber einmal "normal" :-P )

 



Danach teilte sich die Gruppe in kleine Grüppchen, je nachdem in welche Richtung gefahren wird. So kam auch meine Wiener Fraktion und die Steirische zusammen um sich im Laufe der Strecke in alle Himmelsrichtungen zu verteilen (nein, nicht in Einzelteilen). Ich fuhr mit den gleichen Leuten zurück, mit denen ich auch ankam, in Liezen gab es erneut Schweinswiener zu Mittag und danach waren wir nur noch zu zweit, die endgültig nach Wien fuhren.

Der Heimweg war zwar schön weil wir tolles Wetter hatten und am Anfang des Tages hatte selbst ich noch genug Energie. Aber mit jedem Tank- und Nikotinstopp mehr wurde die Fahrt auch länger.  Zum einen machten wir alle Temparaturschwankungen mit (aber diesmal trocken), zum anderen war es nun der dritte Tag in Folge auf dem Bock. Bis dahin hatten wir ca. 550-600km abgespult. Kurvenreiche und konzentrationsstarke Kilometer. Nun stand wieder ein 420km langer Heimweg an der mit der Zeit immer anstrengender wurde.
Trotz allem war ich gut gelaunt, denn ich war begeistert von dem Wochenende und davon, dass ich so gut aufgenommen wurde als hätte ich schon immer dazu gehört. Sowieso war es ein tolles Erlebnis diese anfänglich geglaubte „Hürde“ überwunden zu haben.

Jetzt beim Schreiben bemerke ich gerade, dass ich von der Heimfahrt gar nicht mehr so viel weiß außer, dass es trocken, dafür mal heiß und mal angenehm war. Und laaange. Aber schlussendlich sind wir gut in Wien angekommen, dann wurde noch ein Weilchen geplaudert und schließlich hatte ich meine letzten 10 Großstadtdschungelkilometer vor mir bis auch ich endgültig zu Hause war. Diese meisterte ich mit Bravour, wenn auch etwas genervt wie es immer ist, wenn man gerade vom „freien Land“ kommt, und dann muss man sich quer durch Wien über den Gürtel durchschlagen. Aber ich beschloss, für diese Fahrt die Blechkisten um mich zu ignorieren und bloß noch gut Heim zu kommen.
Geschafft und schnaufend stand ich endlich in meiner Wohnung. Jetzt noch schnell ins Forum schreiben, dass ich wohlauf und überglücklich bin, duschen, essen, schlafen. Die nächste Tour kann kommen.

 

 

Fotos © by Skyliner