Teil 4 - Deutschland

 

Mein letzter voller Tag in Augsburg war angebrochen. Auf Empfehlung hin fuhr ich ein weiteres Mal in die Stadt um die Fuggerei anzusehen. Außerdem dachte ich, zeigt sich vielleicht auch noch das eine oder andere innerstädtische Schmuckstück.
Die Fuggerei war auf Anhieb gefunden, tatsächlich ein interessantes und beeindruckendes Bauwerk. Wer es nicht kennt: das ist der älteste Sozialbau der Welt, wurde damals 1521 durch die Familie Fugger gestiftet. Die „Wohnbedingungen“ sind bis heute die gleichen geblieben: wohnen darf nur wer wirklich bedürftig ist, Augsburger, außerdem katholisch, und gut beleumdet. Bezahlt wird eine Jahreskaltmiete von € 0,88 (der nominelle Wert eines rheinischen Gulden) und dafür muss jeden Tag ein Gebet gesprochen werden. Die Stiftung lebt nach wie vor hauptsächlich durch Spenden, außerdem werden Führungen angeboten für die natürlich bezahlt wird (allerdings nicht so viel, 4,- kostet dann der „Eintritt“) - ansonsten kann man aber einfach durch spazieren und sich alles ansehen. Heute gehört es quasi zu den Sehenswürdigkeiten und wurde teilweise mit einem Museum ausgestattet, ebenfalls gibt es je eine alte und eine neue Schauwohnung. Die neue hab ich leider verpasst, das alte fasziniert mich aber ohnehin mehr. Des weiteren gibt es einen großen Luftschutzbunker, davon konnte ich aber keine Fotos machen weil alle Räume in der Mitte große Schautafeln und Vitrinen stehen hatten. Da war also leider nicht mehr viel vom alten Bunker übrig.
So marschierte ich mit Kamera bewaffnet neugierig durch die Gässchen der kleinen Anlage, es ist quasi wie eine kleine Stadt für sich. Mit Stadtmauer, Stadttoren, bei denen damals Wachposten stationiert waren, eine eigene Kirche etc... jedenfalls ist die Fuggerei eine Anlage mit eigenem Charme, irgendwie fast putzig, das kleine Städtchen. Ich bewunderte es und die Kamera hatte genug zu tun. Seht am besten selbst, Bilder sagen bekanntlich mehr! ;-)



Nach der Fuggerei spazierte ich noch ein bisschen durch die netten, kleinen Gassen Augsburgs, beschloss dann aber bald den restlichen Tag gemütlich zu verbringen. Denn angesichts der steigenden Temperaturen hatte ich nicht viel Lust, ewig herumzugehen oder gar großartige Ausfahrten zu machen. Drum war auch gleich das Badezeug mit im Gepäck um zum Kuhsee zu fahren. Ein wirklich netter, kleiner Badesee südlich von Augsburg. Liegt schön versteckt zwischen Äckern und einem Waldstreifen, angenehm ruhig, es war kaum was los. Andererseits war auch Wochentag, da haben bestimmt die wenigsten Leute Zeit. Die Abkühlung tat gut, genau richtig an dem heißen Tag. Somit war für die nächsten Stunden Faulenzen angesagt, all zu spät sollte ich nicht Heim kommen damit ich meine Sachen für die Weiterreise packen kann.

Endlich waren meine Tage in dieser Herberge gezählt, zum Schluss hat‘s mir schon endgültig gereicht weil sich auch die anderen Gäste hier wie die Drecksäue aufführten. Also die Gangklos waren nicht mehr zu benutzen, mehr brauch ich dazu nicht sagen...
Wie auch immer, ich konnte ja endlich los, mein Weg führte mich weiter nach Regensburg. Diesmal also wirklich bloß eine kurze Strecke von 140km, führte mich sehr rasch über die Bundesstraße an mein Ziel. Pünktlichst um 12 bin ich bei meiner Freundin gelandet, hier bleibe ich für die nächsten 4 Tage. Quasi ein bisschen Pause vom Touren, denn hier werde ich wohl kaum zum Motorradfahren kommen. Macht auch nix, gibt noch genug andere Möglichkeiten.
Die haben wir auch noch am selben Tag gestartet, nachmittags haben wir im Garten stundenlang Obst gepflückt. Kübelweise! Gelbe und rote Mirabellen, Stachelbeeren (danke für die vielen Kratzer und Dornen in meinen Armen! Aber zahlt sich aus). Äpfel, weiße (!) Ribiseln - die hab ich ja noch nie gesehen! Wusste gar nicht, dass es das gibt. Ich mag die roten ja schon so, aber die weißen sind echt extrem lecker! Nebenbei gab es auch noch ein paar Himbeeren, die man im Vorbeigehen vom Strauch genascht hat, die Brombeeren sind leider noch nicht reif. Das war echt auch mal eine coole Arbeit, eine echte Abwechslung. Und man hat nachher so viel davon! Das meiste von dem Obst wird schleunigst verarbeitet.

Aber davor muss noch ein bisschen Vergnügen und Abkühlung her, deshalb haben wir den Badeweiher namens Guggenberger See unsicher gemacht. Erst der Preis, dann der Fleiß, nicht wahr? Ja, denn den restlichen Nachmittag/Abend haben wir uns dran gemacht, das Obst zu verarbeiten. So haben wir zwei Kübel Mirabellen entkernt und als Marmelade eingekocht. Sooooo lecker, aber auch soooo anstrengend, sehr viel Arbeit in Summe, jedoch ist es die gute Marmelade nachher wert. Wir standen wohl locker 3 Stunden in der Küche, das Entkernen ausgenommen. Dafür hatten wir nachher 25 Gläser Marmelade, rote und gelbe. Feinstens! :-) Ich hoffe, ich bekommen davon etwas in meinem Koffer unter.



Die Marmelade war ja noch nicht alles - wir hatten noch immer so viel übrig, dass in Folge übers Wochenende noch zwei Apfelstrudel, ein Obstkuchen, Stachelbeermarmelade, Ribiselmarmelade, etc. etc. hinterherkamen. Es war alles richtig lecker, außerdem konnten wir noch ein paar andere Leute damit beglücken.

Nein, wir standen nicht bloß in der Küche, obwohl das eine nette Arbeit ist. Zwischendurch gab‘s noch einmal Baden an einem anderen, kleinen Weiher, es gab eine Fototour durch Regensburg samt Abendrot und am Sonntag Abend noch einmal Regensburg weil es eine Oldtimerrallye gab. Nachmittags war Zieleinfahrt in der Stadt, später noch Siegerehrung. Den größten Trubel hatten wir verpasst, dafür standen die hübschen Autos nachher in Reih und Glied über den Platz verteilt und ließen sich gut fotografieren da auch nicht mehr so viele Leute hier waren. Es waren durchaus einige Schmuckstücke dabei. Hier erst mal die Stadtfotos:

Und hier ein paar Auszüge von den Oldies:


Tja, so verging mein verlängertes Wochenende in Regensburg auch wieder und es hieß weiterziehen. Wieder mal vollbepackt (ich hab 5 Marmeladegläser untergebracht. Yippie!) fuhr ich vom Hof um in Richtung Berlin zu starten. Natürlich wäre die ganze Strecke zu weit für einen Tag, aus diesem Grund steuerte ich für‘s Erste eine kleine Stadt namens Gera an. Aber wie es so spielt: kaum sitzt die Gudrun am Motorrad und will eine Reise tun, fängt es zu Regnen an. Nach etwa einem Drittel vom Weg wurde es nass. Wieder einmal. Na, das mit dem Regenzeug konnten wir doch schon zur genüge üben, aber bis ich mal auf dieser Wald-Bundesstraße ein Plätzchen gefunden hab verging noch einige Zeit. Dann hab ich aber gleich eine kleine Mittagspause draus gemacht, wenn ich hier schon 2qm zum stehen gefunden hab.

Irgendwie war wieder ein komischer Tag. Irgendwas hat mir nicht so recht gepasst, von Anfang an. Klar, einerseits war es schön, auch wieder weiterreisen zu können. Schließlich gilt es noch viel zu erleben. Andererseits, Popometer hat zwar funktioniert, mein Kopf aber nicht. Ständig unnötige Gedanken über blöde Dinge, die ich längst vergessen wollte, ständig nicht gemerkt, wo ich lang fahren muss, immer irgendwie voll daneben. Die Strecke war nicht weit und landschaftlich eigentlich ganz nett, aber anstrengend zu fahren. Dann kam eben noch der Regen dazu, zig LKW‘s und Baustellen, die Luft war extrem drückend... Trotz allem ging es so gesehen relativ gut dahin bis Gera. Aber spätestens dort stelle ich fest, es ist definitiv ein scheiss Tag. Von der Bundesstraße Richtung Zentrum abgebogen, danach noch eine letzte Abfahrt die in einer Rechtskurve wegging. Ich fuhr maximal zwischen 40 und 50 km/h, aber so schnell konnte ich gar nicht schauen bzw. überlegen, auf einmal schlitterte ich dahin und es hörte einfach nicht auf. Ich hörte lautes Metallschleifen, sah bruchstückhaft zwischen Motorrad und Asphalt hin- und her, hatte den Lenker längst losgelassen weil ich weg wollte. Ich kam aber nicht weg, mein Fuß steckte zwischen Moped und Straße. Keine Chance, ihn wegzuziehen, ich wurde also gnadenlos mitgeschleift. Ich glaube, dass ich unterm Auspuff hing, aber ich weiß es nicht. Irgendwann stand endlich alles, beim dritten Versuch konnte ich endlich meinen Fuß befreien und stand auf, hinter mir bremsten sich schön langsam Autos ein, ich dachte momentan einfach nur „Scheiße!“ Da lag sie auf der rechten Seite, beladen mit dem schweren Gepäck. Ich sammelte meinen Tankrucksack ein, sah die Hälfte meines Bremshebels am Boden, selbst war ich erstmals nur durcheinander und atmete mal tief durch. Allein konnte ich die CB gar nicht aufheben, dafür hätte ich das Gepäck abmontieren müssen, die erste, die stehen blieb half mir dann aber. Hinten wurden es inzwischen mehr Autos, aus einem konnte ich eine ältere Frau sehen, die ganz geschockt den Mund aufgerissen hat. Dachte ich mir noch „mach dir keine Sorgen, is eh nix passiert.“ Ich schob mein Motorrad auf die Seite, die Frau, die mir half fuhr dann wieder weiter nachdem ich meinte, sie braucht niemanden rufen, es sei eh alles ok. Zwischendurch spürte ich mein Knie ein bisschen, sah, dass meine Regenhose ganz zerfetzt war, die eigentliche drunter aber nicht. Also dachte ich, könnte maximal aufgeschürft sein. Ist also egal, sonst tat mir nichts weh. Kurz später blieb noch einmal ein Münchner stehen und fragte auch, ob alles in Ordnung ist, machte mir mit seinem Auto quasi einen Windschatten und stellte ein Pannendreieck auf. Ich steckte derweil die gefundenen Einzelteile ein, packte meinen Rucksack wieder auf den Tank und stellte fest, dass der Lenker im Eimer ist. Das zerschredderte Lenkerende zog ich gleich aus dem Rohr, hat eh keinen Zweck. Der Münchner redete noch kurz mit mir, meinte auch, dass das eine saublöde Kurve ist und sagte, weiter vorn ist ein Parkplatz, da kann ich mich ja noch mal hinstellen damit wir hier den Verkehr nicht aufhalten.

Ich wollte schauen, ob sie noch läuft. Da muss man erst wieder bei Adam und Eva anfangen zu denken: wenn Seitenständer draußen auf Leerlauf stellen, Notstop testen und dann starten. Ja, nach etwas Herumgetue hab ich das geschafft und nach etwas Gestotter sprang sie auch wieder an. Ich fuhr zum Bauhaus auf den Parkplatz, atmete noch einmal ordentlich durch und inspizierte die Kleine. Ja, wie gesagt, Bremshebel abgebrochen, Lenker verbogen (links hab ich jetzt Superbikehaltung, rechts hab ich Chopperhaltung. Super.), Fußbremshebel verbogen, Auspuff abgeschürft, Lenkerende hin, Scheinwerfer etwas angekratzt, Hose zerrissen, Kartenfach vom Tankrucksack an Stelle des Navis durchgescheuert, Gudrun ganz. Ich hab am Knie grad mal einen blauen Fleck, sonst war da nichts. Im Großen und Ganzen hab ich mich also der Unnotwendigkeit wegen grün und blau geärgert, mir war zum Heulen. Ein mieser Tag von Anfang bis Ende! Von dieser Kurve weg hatte ich grad noch 2km zum Ziel, in der Herberge hab ich dann resigniert. Was soll ich schon machen? Hier und jetzt kann ich sowieso nichts reparieren, am nächsten Tag muss ich weiter, fahren tut sie grundsätzlich und bis Berlin sind es „nur noch“ 250km. Irgendwie müsste ich also mit dem blöden Lenker zurechtkommen. Bloß vom Hinterrad kommen bei gewissen, langsamen Geschwindigkeiten komische Geräusche. Zwar schon, seit ich die Kette nachgespannt hab, aber jetzt erst recht. Es quietscht leicht, fühlt sich manchmal auch so an, als würde da was vibrieren oder schleifen, vor allem beim Bremsen. Aber wie gesagt, in diesem Moment konnte ich ohnehin nichts machen, bis Berlin würd ich schon kommen. Wird es diesmal eben keine Sightseeing-Strecke, ich denke, ich nehme ausnahmsweise die schnelle Variante über die Autobahn. So macht fahren nämlich keinen Spaß. Ach, es nervt mich so sehr!
Natürlich ist wichtiger, dass es mir gut geht. Aber schließlich ist CBlein mein einziger Weggefährte, ich MUSS mit ihr wieder weiterkommen. Das werd ich natürlich auch, bloß wie. An dem Tag war ich einfach am Wasser gebaut. Hoffentlich sieht die Welt morgen schon anders aus. Und hoffentlich regnet es nicht mehr!!!! Ich geh wohl besser schlafen.



Tatsächlich, am nächsten Tag sah die Welt schon anders aus. Muss ja irgendwie weitergehen! Immerhin, der Motor läuft ja, alles andere wird schon passen. So machte ich mich mit schiefer Haltung auf den Weg nach Berlin, diesmal ausnahmsweise über die Autobahn weil ich so echt keine Lust hatte großartig Ortschaften zu erkunden.
Auf der Bahn ging es meistens eigentlich recht flott dahin, wäre da nicht der starke Wind gewesen, der mir das Leben schwer gemacht hat. Trotz allem kam ich in Berlin an wo mich dann erst mal mein Navi wieder auf die Probe stellte. Quer durch den Süden getuckert anstatt gleich auf der Autobahn weitergefahren zu sein. Ein Stadtplan wär halt schon was wert... Egal, ich kam durchgeschwitzt aber gut an, dann wurde am Nachmittag erst mal ausgiebig gechillt und gequatscht... Ach, herrlich!